Auszug
Von #rellingen bis Sichtweite Russland.
Mein kleiner blauer Bulli hat seit letztem Jahr mehr als 35000 bis 40000 km gerissen in die Ukraine und an die poln-ukr Grenze. Hin und zurück, hin und zurück, immer wieder.
Der Verschleiß ist seitdem klar, ziemlich doll. Aber Hey, der kleine Blaue, oder wie einer meiner Schrauber den Bulli nennt „die goldene Zitrone 🍋“ hats geschafft. Einfach so.
Danke und auf viele weitere Jahre und km mit dir! Sicher von A nach B nach C nach D gebracht.
Soviel vorab schon mal zu dieser letzten Tour. Die war echt für mich auch das erste Mal ganz schön krass. Traurig. Und immer wieder das Gefühl von Machtlosigkeit…. Am Ende wars das trotzdem wert!!!!
Blinde Wut & Zerstörung – Vovchansk
Von Charkiw aus ging es nach Vovchansk. 75 km Fahrt gestalteten sich als 4 Stunden Tortur. Vovchansk liegt direkt an der ukrainisch-russischen Grenze. Man hatte schon ein paar Gedanken dazu im Kopf. Genau an der Grenze, wird der Ort wohl kaum noch Leben in sich tragen, außer vom Militär….
So war es auch. Vovchansk war wie eine Geisterstadt. Verlassen. Eiskalt – Wirklich eisig. Wir hatten an dem Tag -10 Grad, die sich anfühlten, wie -20. In der Stadt lief kein Mensch draußen umher.
Außer die vielen Hunde & Katzen, die diesem Krieg ohne Hilfe nicht entfliehen können. Überall streunerten sie bettelnd, frierend nach Futter, Wasser oder Wärme. Unsere Begleiter erzählten das Militär kümmert sich um die vielen verlassenen Tiere. Es gibt sie aber, die wenigen Menschen, die zurückblieben. Aber es sind nur die Alten, die Kranken, die Schwachen.
Der Ort wurde erst vor wenigen Monaten zurückerobert. Überall sind sie. Die Spuren blinder, hasserfüllter Wut der Russen. Was hat dieser Ort mit einem nicht nachvollziehbaren Krieg zu tun? Nichts! Jedes Haus, dass man auf den Bildern sieht, ist ein Wohnhaus gewesen. Was haben diese Häuser mit diesem Krieg zu tun? Nichts! Und dann standen wir in einer Wohnsiedlung. Das gleiche Bild. Alle Fenster zerborsten, zerstört. Hier lebt doch keiner mehr. Doch erzählten uns die ansässigen älteren Damen, die aus diesem Ort kommen und nun helfen, so wie es grade möglich ist. Überall, auch in den zerstörten Häusern, leben die Alten & Schwachen. Oder die Tiere. Die schon älteren Frauen und das Militär kümmern sich. Sie geben Essen, Futter für die Tiere, Decken wegen der eisigen Kälte uvm.
Wir ließen all unsere, nein, natürlich EURE Spenden an diesem Ort. Wir erfuhren, es kommen Volontäre. Aber nur aus dem Land selbst. Der Ort ist halt einfach nicht präsent in Nachrichten oder ähnlichem. Es ist ein kleiner Ort, mit vielen Nachbarsdörfchen. Könnte auch ein Dorf in Mecklenburg-Vorpommern sein.
Zerstörung, Wut, Angst, Trauer, Hoffnung, uvm.
Ein ukrainischer Soldat und Polizist @sparts__wolf hat uns an dem Tag in Vovchansk begleitet und uns seine kleine Stadt gezeigt. An dem Tag sind 2 Raketen aus Russland über die Stadt geflogen.
Wir hatten am Ende, ja, mehr Glück als Verstand.
Dieser kleine Ort kümmert sich um die umliegenden Dörfer.
2 Frauen haben eine kleine Halle (im Vergleich zu großen Spendenlagern), wo alles gelagert wird für Tiere und Menschen. Von dort aus bringen sie es den alten Menschen nach Hause und oder geben Futter dem Militär, denn auch das Militär freut sich über jede Hilfe und es kümmert sich um die vielen verlassenen Tiere, die auf der Straße leben oder noch in den zerstörtem zu Hause.
Wir haben uns viel unterhalten, haben einfach diesen fast leeren Ort in uns quasi aufgenommen. Es war sehr still an diesem Tag. Die Sonne kam raus, bei eisiger Kälte und trügerischer Ruhe. Es war bedrückend. Und immer wieder fühlt man sich machtlos. Auf einem Bild was Richtung Ferne blickt, könnt ihr die russisch-ukrainische Grenze sehen.
Wenn einem das bewusst wird, dreht man sich um, steht vor einem Artillerie zerstörten Haus, sieht die Einschusslöcher und der Gedanke kommt „Fuck, was mach ich hier, in Sichtweite der Russen, ein Schuss von hinten und ich lieg hier tot im Nirgendwo weit weg von zu Hause rum….“ Ja….
Diese Gedanken hatte ich für ein bis zwei Sekunden. Und da kann man sich denken, wie sich die Menschen vielleicht ungefähr im Krieg fühlen, aber diese damit jede Sekunde leben….
Auch solche Eindrücke möchte ich teilen. Die Fahrten. Denn das ist der Großteil der Arbeit da unten. Man fährt stunden-tagelang durch die Gegend, muss sich beeilen, was kaum möglich ist, durch die unbekannten und schlecht passierbaren Straßenverhältnisse. Teilweise gibt es nicht mal sog. Straßen, sondern nur noch schleichwege. Alles durchlöchert. Keine normalen Schlaglöcher, wie bei uns. Metertiefe Krater, denen man ausweichen muss. Das geht aber nicht immer im Schneckentempo, da wir wie hier, an einem Ort sind, der so gefährlich ist, das man sich bei Einbruch der Nacht beeilen muss. Und das war nicht mal die Nacht. Es war im Januar, die Straße spiegelglatt, ca. 16 Uhr begann es zu dämmern. Draußen kein Mensch unterwegs. Ab und zu sieht man streunende Tiere, die nicht wissen wohin…. Unsere Begleiter fuhren vor (vom Militär), ich war in der Mitte und hatte große Mühe dran zu bleiben. Vovchansk. Ein Ort, der wie eine Kleinstadt in Deutschland wirken könnte. Es war still. Kein Luftalarm. Aber die Russen in Sichtweite. Mehrere Raketen flogen an dem Tag über die Stadt Richtung Charkiw…..